(Bericht aus dem Zeitraum 2003 bis 2008)

Kurz zu mir: Ich bin weiblich, 1983 geboren und wohne in Offenburg. 2003 ertaubte ich innerhalb von zwei Wochen im Alter von 20 Jahren. Damals befand ich mich im 3. Lehrjahr zur Erzieherausbildung. Da ich nicht wusste, wie gut ich mit den Cochlea-Implantaten einmal hören würde, begann ich 2005 eine Ausbildung bei der Agentur für Arbeit zur Fachangestellten für Arbeitsförderung. Diese beendete ich 2008 und wurde zum Glück übernommen. Begonnen hatte alles Ende 2003 mit starkem Durchfall, der drei Wochen lang anhielt, Müdigkeit und starkem Schwitzen.

Ein paar Wochen später - im Dezember 2003 - hatte ich eines Tages leichten Tinnitus auf dem linken Ohr und plötzliche Gleichgewichtsprobleme. Ich konnte von einer Minute auf die andere nicht mehr sitzen, ohne das Gefühl zu haben, gleich umzukippen. Am gleichen Abend musste ich mich übergeben und begann auf dem linken Ohr, Donald-Duck-Stimmen zu hören; laufen konnte ich aufgrund des Gleichgewichtsausfalls schon kaum mehr.

Am nächsten Morgen bin ich gleich zum HNO-Arzt gefahren. Dieser ging von einem Hörsturz aus und verschrieb mir die üblichen Medikamente. Auf dem linken Ohr hörte ich laut Hörtest schon schlechter.

Ein paar Tage später begann auch der Hörverlust auf dem rechten Ohr, dazu kamen starke Ohrenschmerzen. Ich hatte starken Druck im Kopf, Schmerzen im Nacken, in den Ohren und Zahnschmerzen. Mein ganzer Kopf war am Pulsieren. Der HNO-Arzt nahm mich nicht ernst und begründete die Schmerzen als psychisch. Nach einer Woche hielt ich die Schmerzen nicht mehr aus, das Hören hatte sich so sehr verschlechtert, sodass ich ins Krankenhaus fuhr. Dort wurde ich stationär aufgenommen und bekam eine Infusionstherapie, welche im Regelfall vierzehn Tage lang durchgeführt wird. Die Ergebnisse des Hörtestes wurden immer schlechter, dies wurde jedoch auf mangelnde Konzentration und auf psychische Ursachen geschoben!

Mit einem Spezialgerät wurde versucht, die Schallwellen zu messen. Laut dem Gerät kam keine Reaktion. Wie ich später erfuhr, wurde in meiner Krankenakte vermerkt, dass das Gerät vermutlich defekt wäre. Es funktionierte jedoch einwandfrei, anstatt es zu überprüfen wurde mir wieder nicht geglaubt. Ohne jegliche Besserung wurde ich dann nach fünf Tagen ohne Medikamente entlassen.

Einen Tag später wurden die Schmerzen wieder so unerträglich, dass ich wieder ins Krankenhaus gefahren bin. Es untersuchte mich jedoch kein Arzt, stattdessen wurde ich mit einer Schmerztablette wieder nach Hause geschickt. Als diese nicht half, rief mein Freund im Krankenhaus an, dort hieß es nur, dass ich stündlich eine weitere Schmerztablette nehmen solle, bis die Schmerzen weg sind. Als mein Freund berichtete, dass ich nur noch weine vor Schmerzen, meinte der Arzt, ich solle auch aufhören zu weinen, das würde den Druck im Kopf nur noch verschlimmern. Ich hatte unerträgliche Ohrgeräusche, welche zeitweise mit dem Lärm in einer Disco zu vergleichen waren. Ich sollte am nächsten Morgen wieder im Krankenhaus vorsprechen. In dieser Nacht ertaubte ich jedoch vollständig.

Als ich daraufhin am nächsten Tag ins Krankenhaus fuhr, wurde wieder ein Hörtest gemacht, die Ergebnisse waren sehr schlecht. Doch die Ärzte haben die Ergebnisse des Hörtestes wieder auf psychische Ursachen und mangelnde Konzentration geschoben. Mittlerweile war mein linkes Auge stark gerötet und ich verspürte einen wahnsinnigen Druck auf dem Auge. Die Ärzte meinten jedoch, dass dies durch die Weinerei kommen würde.

Sie haben mich dann mit der Empfehlung, mich in der Psychiatrie vorzustellen (dies wusste ich nicht), nach in eine nahe gelegene Uniklinik überwiesen. Die Autofahrt dorthin war sehr schmerzhaft, jede Vibration verstärkte die schon vorhandenen Schmerzen. Als ich endlich in der Uniklinik ankam, nahm man mir Blut ab und schickte mich anschließend gleich zur Vorstellung in die Psychiatrie. Zum Glück nahm mich zumindest die Psychiaterin ernst und bestätigte, dass die Schmerzen nicht psychischer Ursache sind.

Als ich wieder in der Uniklinik ankam, ließ man mich noch ein paar Stunden auf die Blutergebnisse warten. Insgesamt vergingen acht Stunden, die ich liegend und weinend vor Schmerzen auf dem Krankenhausflur verbrachte. Gegen Abend kam dann endlich ein Arzt, er teilte mir mit, dass meine Entzündungswerte viel zu hoch seien und ich so schnell wie möglich auf die Intensivstation verlegt werden müsste.

Ich wurde wieder stationär aufgenommen und man führte die abgebrochene Infusionstherapie fort. In den nächsten Wochen folgten unzählige Untersuchungen, eine Diagnose bekam ich jedoch wieder nicht. Ich hatte weiterhin Probleme mit meinen Augen, welche ständig entzündet waren. Tageweise konnte ich vor Schmerzen nicht einmal mehr die Augen öffnen und somit leider gar nicht mehr kommunizieren.

Ich begann von den Lippen ablesen zu üben, jedoch fiel mir dies auch aufgrund des Gleichgewichtsausfalls und der ständigen „Wacklerei“ sehr schwer. Ich erinnere mich an eine Situation, in der ich im Rollstuhl zu einer Untersuchung gefahren wurde, meine Krankenakte wurde mir auf meinen Schoß gelegt. Auf dieser stand dick in Rot geschrieben „Achtung Patientin ertaubt“. Mir war zwar bewusst, dass ich derzeit nichts hörte, jedoch hatte ich weiterhin die Hoffnung auf Besserung, dies schriftlich zu sehen schockte mich sehr, zudem stieg wieder die Wut auf die Ärzte, die mich in der Ungewissheit ließen. Als ich die Ärzte auf die Krankenakte ansprach wurde ich wieder vertröstet, ich solle mich noch gedulden, sie wüssten noch nichts Genaueres. Erst durch die Kernspintomografie kam heraus, dass mein Innenohr und die Gleichgewichtssysteme stark entzündet waren.

Dann endlich ganz unerwartet wurde mir eine Diagnose mitgeteilt. Ich kann mich noch sehr genau an diese Situation erinnern. Meine Eltern und mein Freund waren gerade zu Besuch. Die Ärztin nahm sie mit und ließ mich wieder alleine im Zimmer warten. Nach ein paar Minuten sollte ich zur Ärztin gehen. Ich ahnte schon Böses, als ich die Tränen in den Augen meiner Angehörigen sah. Meine Ärztin teilte mir per Laptop mit, dass ich ertaubt bin, auf dem normalem Weg nie wieder hören könne. Ursache wäre das Cogan-I-Syndrom. Gleichzeitig bombardierte sie mich mit Informationen zum Cochlea-Implantat. Dies war ein bisschen zu viel in dieser Situation, schließlich hatte ich im Gegensatz zu den Ärzten noch keine Möglichkeit, mich mit der Diagnose abzufinden und mich auf die Zukunft zu konzentrieren.

Man konnte mir nicht sagen, wie gut ich mit den Implantaten hören würde, ob ich meine Ausbildung als Erzieherin beenden könnte, der Boden unter meinen Füßen zerbrach. Man teilte mir mit, dass ich so schnell wie möglich operiert werden müsste. Durch die Entzündung würde mein Innenohr vernarben. Umso länger man warten würde, desto schwieriger wäre die OP und zudem auch das Hörergebnis. Bei einer vollständigen Vernarbung wäre keine OP mehr möglich gewesen. Ein paar Tage später wurde ich mit einem OP-Termin entlassen. Kaum zu Hause angekommen ging es mir körperlich nicht sehr gut. Ich war müde und schlapp, habe fast durchgehen geschlafen, was ich jedoch auf die Anstrengung der letzten Wochen schob.

Nach einer Woche hatte ich plötzlich starke Lungenschmerzen, mein Arzt schaute mir in den Hals und meinte, es wäre alles in Ordnung, er könne nichts sehen. Wieder fühlte ich mich nicht ernst genommen, war aber einfach zu schwach und unmotiviert, wieder einen weiteren Arzt aufzusuchen. Als mich mein Freund am nächsten Mittag aufgrund eines Arzttermins weckte (ich schlief wieder durch), hatte ich sehr starke Kopfschmerzen. Ich konnte meinen Kopf kaum noch bewegen. Da ich jedoch nur noch eine Stunde überbrücken musste, nahm ich eine Schmerztablette und kommunizierte mit meinem Freund per Stift und Blatt. Ein paar Minuten später wurden die Kopfschmerzen immer unerträglicher, ich begann zu weinen und mein Freund rief meine Mutter an und bat sie um Rat. Genau in dem Moment hatte ich einen Schlaganfall.

Erst konnte ich meinen rechten Arm nicht mehr bewegen, kurz darauf war meine gesamte rechte Körperhälfte gelähmt. Ich konnte nicht mehr richtig sprechen (was ich zwar nicht hörte aber spürte), begann mich zu verschlucken und bekam große Panik, an meinem Speichel zu ersticken. Mein Freund trug mich noch ans Waschbecken und ich versuchte den Speichel so gut es ging zu entfernen. Er wusste natürlich nicht, was er tun sollte, daher rief er wieder meine Mutter. Diese hatte sofort den Verdacht eines Schlaganfalls (gelernte PKA) und meinte, wir sollen sofort zum Arzt fahren. Von dem Gespräch bekam ich wieder nichts mit, mein Freund musste mir beim Laufen helfen und hatte Angst, durch die Aufschreiberei Zeit zu verlieren. Ich wusste nur, dass wir früher zu meinem Arzttermin fuhren.

Beim Arzt angekommen, bekam ich einen Rollstuhl, musste jedoch noch eine Stunde warten bis ich dran kam! Mittlerweile war die Lähmung wieder verschwunden, ich spürte nur noch ein Kribbeln der rechten Körperhälfte. Als ich endlich dran kam, wurde ich sofort ins Krankenhaus geschickt. Dort wurde ich wieder stationär in der Intensivstation aufgenommen. Es folgten zahlreiche Bluttests und Untersuchungen. Beim Schluckecho wurde eine Entzündung am Herzen festgestellt. Die Entzündung war ein weiteres Symptom des Cogan-I-Syndroms.

Ich bekam eine achtwöchige Antibiotika-Infusionstherapie, durch diese und die unzähligen Infusionen zuvor, wurden meine Venen immer schlechter. Von Tag zu Tag wurde es schwieriger einen Zugang zu legen. Mein OP-Termin musste aufgrund der Entzündung verschoben werden. Nach ein paar Wochen wurde ich dann wieder in die Uniklinik, diesmal in die Kardiologie, verlegt.

Meine Venen waren mittlerweile sehr schlecht, ich erinnere mich an den Stechrekord eines Arztes mit ca. zwanzig Versuchen. Er traf leider nicht mehr, ich bekam meinen ersten ZVK (Zentraler Venenkatheter). Als die Entzündung am Herzen auskuriert war, vereinbarte ich einen neuen OP-Termin. Geplant war es, mich bei dieser gleich beidseitig zu operieren. Ein Tag vor meinem OP-Termin entzündete sich mein ZKV, sodass ein neuer gelegt werden musste. 45 Minuten lang wurde dies im Operationssaal versucht, es war wieder sehr schmerzhaft, leider trafen die Ärzte nicht. Dann weigerte sich auch noch meine Krankenkasse, die Kosten für eine bilaterale Cochlea-Implantation zu bezahlen. Die Klinik versprach mir glücklicherweise auf eigene Kosten auf dem linken Ohr einen Platzhalter, der die Verknöcherung aufhalten sollte, zu implantieren. Am nächsten Morgen, als ich bereits in Vollnarkose lag, gelang es dann auch den Ärzten einen neuen ZVK zu legen. Die OP ist insgesamt gut verlaufen, leider hatte ich anschließend starke Kopfschmerzen.

Ein paar Wochen später bekam ich dann auch auf der linken Seite mein CI. Da ich bereits den Platzhalter hatte und die Vernarbung bereits beseitigt war, hatte ich nach der zweiten OP kaum Schmerzen. Die erste Anpassung auf der rechten Seite verlief erstaunlicherweise sehr gut. Als ich das erste Mal meinen Akustiker sprechen hörte, bemerkte ich gleich seinen Dialekt. Gleich nach der Anpassung habe ich versucht mit dem Handy zu telefonieren. Ich habe nicht jedes Wort verstanden, und die Stimmen hörten sich teilweise an wie ein Roboter, aber zumindest funktionierte es im Großen und Ganzen ganz gut.

Ein paar Wochen später bekam ich dann auch den Sprachprozessor für mein linkes Ohr. Es war nicht ganz einfach, die Sprachprozessoren aufeinander einzustellen, aber ich merkte sofort die Verbesserung einer bilateralen Versorgung. Das Hören an sich war nicht mehr so anstrengend im Vergleich zu nur einer hörenden Seite, zudem war es mir nun möglich zu erkennen aus welcher Richtung die Geräusche kamen.

Auch heute noch unterscheiden sich meine zwei Ohren, sobald ich sie jedoch zusammen trage, merke ich dies nicht mehr. Mittlerweile bin ich sehr zufrieden, ich höre Musik, telefoniere und kommuniziere täglich mit Menschen. Durch die Möglichkeit der Störlärmprogramme komme ich immer besser in Kneipen oder bei lauten Umgebungsgeräuschen zurecht. Aber natürlich hat das CI auch seine Grenzen, auf Entfernung zu hören ist immer sehr schwierig und anstrengend und nicht für jede Störlärmsituation gibt es das passende Programm. Bis zum heutigen Tag wurde ich zum Glück von größeren Schüben des Cogan-I-Syndroms verschont. Mein Immunsystem ist jedoch sehr geschwächt, sodass ich mir jede nur mögliche Krankheit einfange. Zudem habe ich regelmäßig kleinere Schübe, die sich durch starke Darmprobleme äußern.

 

* Name der Patientin dem Vorstand bekannt